TATJANA MEYER, 57

INTERIMSBERATERIN, UNTERNEHMERIN,

BERATERIN GENERATIVE KI

Riders on the storm 

Riders on the storm 

Into this house, we’re born 

Into this world, we’re thrown 

The Doors, Riders on the Storm

Tatjana habe ich kennengelernt, nachdem sie mein erstes veröffentlichtes Gang of Fifty-Interview auf LinkedIn geliked hatte und mit „vielen Dank für die tolle Initiative“ kommentierte. Ich wiederum fand ihre Arbeit super spannend, und so haben wir uns hin und her ausgetauscht, insbesondere über Künstliche Intelligenz, aber auch über unsere Erfahrungen in der Selbstständigkeit, Webauftritte, Norddeutschland und vieles mehr. Besonders begeistert hatte mich der von ihr verwendete Ausdruck „Berufslebenserfahrung“. Als Tatjana auf meine Nachfrage spontan zusagte, ein Gespräch mit der Gang zu führen, war klar, dass KI ein großes Thema sein würde, da es eines ihrer Spezialgebiete ist. Dass der Horizont noch viel weiter gezogen wurde, war dann umso spannender: Von KI und Kindergarten über Frauen, die Fußballspiele moderieren, bis zu Stadtflucht und Heidediesel. 

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GoF: Vor unserem Gespräch habe ich den Chatbot auf Deiner Website folgendes gefragt: „Ich bin Mitte 50, bin ich damit nicht zu alt für KI Tools?“ Die Antwort war: „Es ist nie zu spät, sich mit neuen Technologien wie KI zu beschäftigen. Das Erlernen von KI bietet unabhängig vom Alter zahlreiche Möglichkeiten zur persönlichen und beruflichen Weiterentwicklung.“ Und Du sagst Embrace the struggle and get moving. Ist das Dein Lebensmotto?

 

Tatjana:  Ja, das passt. Hundertprozentig.

 

Dann war es wohl zwangsläufig, dass Du Expertin im Bereich KI-Beratung wirst. Obwohl Menschen über 50 neue Technologien gemeinhin weniger zugetraut werden.

 

Das kenne ich interessanterweise. Ich habe die Erfahrung bei mir selbst, dass ich merkte, okay, ich brauche länger, um Sachen zu verstehen. Junge Leute sind mit der Technik und diesen ganzen Tools schnell, auch was das Verständnis angeht. Aber gleichzeitig habe ich neulich eine Studie gelesen, in der stand, dass die Beschäftigung mit KI, das Interesse dafür und die Nutzung vollkommen altersunabhängig ist, aber die Älteren sind aufgeschlossener. Sie benutzen es eher als Jüngere. Total interessant. Ich kenne selbst ganz viele junge Leute, die interessiert das gar nicht.

 

Ich hätte gedacht, das Gegenteil sei der Fall.

 

Ich finde immer beim Thema neue Technik, da muss man offen sein. Am Ende ist es nur ein Tool, ein Gadget, genau genommen. Das wird immer besser werden und das wird irgendwann immer selbstverständlicher werden. Die Jüngeren nehmen das, nutzen das oder auch nicht, aber die vermissen ja auch nichts. Im jungen Alter vermisst man ja nicht viel. Die nehmen Dinge mehr als selbstverständlich an und deswegen auch mit mehr Leichtigkeit. Ältere denken immer: „Oh Gott, ich muss das jetzt auch können.“ Man muss offen dafür sein. Für uns ist es einfach revolutionär. Und deswegen ist die Begeisterung bei älteren Leuten so groß, weil wir einfach besser beurteilen können, wie wahnsinnig das ist, was das kann, wie das funktioniert. Und das können junge Leute, glaube ich, gar nicht. Also, wir können das.

 

Fühlen Ältere sich ein wenig gehetzt? Ja nicht nicht den Anschluss verlieren?

 

Ja, und wie war das mit Internet? Das habe ich auch erst nicht verstanden. Und jetzt bei KI müssen wir alle irgendwie drauf achten, dass wir das auch benutzen. Deswegen ist da, glaube ich, eine ganz andere Dynamik zwischen jünger und älter. Es gibt ja jetzt für alles KI, was ich aber ehrlich gesagt ein bisschen albern finde. Denn du musst trotzdem noch das Wissen haben, wie Markenführung funktioniert. Du musst wissen, wie Employer Branding funktioniert. Du musst es einordnen können. KI kann dir dabei helfen, aber es kann nicht die Steuerung ersetzen. Nicht komplett.

 

Ich könnte zum Beispiel einfach fragen: Wie geht Marketing? Erstelle mir eine Employer-Branding-Strategie?

 

Man muss wissen, welche Fragen man stellen muss. Das ist tatsächlich noch wichtiger als das Prompten. Es heißt ja auch andauernd „Oh Gott, man muss prompten, das ist das Allerbeste!“ Ist es überhaupt nicht, denn mittlerweile gibt es lauter Standard-Prompts, die du da einsetzen kannst. Es wird irgendwann so ein Automatismus sein. Beispiel Marketingkonzept: Da gibt es dann wahrscheinlich Blaupausen, aber am Ende musst du trotzdem überlegen: Wie unterscheide ich mich denn von den anderen? Wo ist meine Stellschraube? Es muss trotzdem jemand steuern.

 

Was bedeutet Prompten?

 

Das ist praktisch das Bedienen der KI. Man muss der KI ja eine Frage oder eine Aufgabe stellen. Prompten bedeutet, die Frage richtig zu formulieren …

 

… und die Fragen kann man besser stellen, wenn man ein gewisses Backgroundwissen hat?

 

Genau. Man kann sich da ranarbeiten, so nach und nach. Aber man muss wissen, was man wissen will.

 

Du bist seit über 25 Jahren selbstständige Unternehmerin, hast 17 Jahre eine eigene Agentur geführt, zudem ein Familienunternehmen in der vierten Generation. Und jetzt bist du Expertin für generatives KI-Marketing. Das klingt alles im Wortsinn sehr selbstständig.

 

Ich bin sehr frei. Ich bin sehr frei groß geworden. Meine Eltern sind auch beide selbstständig. Ich glaube, wenn man eine große Freiheitsliebe hat, dann ist das so. Ich bin auch als Kind nicht so wahnsinnig sozial aufgewachsen, dann kann man sich schlecht unterordnen, schlecht einordnen und sich schlecht sagen lassen, was man machen muss.


„Ich bin auch nicht im Kindergarten gewesen, sondern ich habe dann ein Pony bekommen.“


Ich konnte praktisch immer alles alleine entscheiden. Das heißt, meine Eltern haben sich im positiven Sinne nicht so sehr um mich gekümmert. Ich bin auch nicht im Kindergarten gewesen, da war ich nur vier Tage, dann wollte ich das nicht mehr. Deswegen bin ich auch nicht so sozialisiert, sondern ich habe dann ein Pony bekommen. Meine Eltern haben mich statt in den Kindergarten wirklich schon mit vier zu diesem Pony gefahren und mich abends wieder abgeholt.

 

Deine Sozialisation fand also zwischen Pferden statt.

 

Wirklich mit mir selbst und mit Pferden. Also, ich komme mit Tieren sehr gut klar, aber mit Menschen habe ich so meine Schwierigkeiten, muss ich gestehen. Aber Pferde sind ja sehr sensible Wesen, von daher habe ich eine ziemlich hohe Empathie.

 

Das klingt etwas ungewöhnlich. Ich habe nun wirklich nicht das Gefühl, dass Du nicht ausreichend sozialisiert bist.

 

Ich habe ja eine lange Lebenserfahrung und von daher habe ich schon auch was dazugelernt. Darum bin ich irgendwie gut mit mir selbst. Daher kommt es, dass ich eher selbstständig arbeite, weil ich einfach unabhängig und frei sein muss. In Corona war das echt ein Riesenvorteil. Ich fand die Zeit wunderbar. Ich fand das so herrlich, dass es ein bisschen ruhig war, dass man sich so zu Hause einmuckeln konnte, sich auf wenige Menschen konzentrieren konnte. Es gab Leute, die sind fast daran zugrunde gegangen, weil die eben einfach dieses Soziale, diese Interaktion brauchen. Für die ist es schlimm gewesen. 

 

Im Marketing macht es Sinn, wenn man eine gewisse Lust auf Menschen, ihre Bedürfnisse und Beweggründe hat. Konkret zum Beispiel für Customer Journeys mit zunehmend personalisierten Angeboten. Oder kann ich das jetzt auch über KI steuern?

 

Es ist wirklich spannend, dass man die KI eben nach Insights fragen kann und dass da tatsächlich viele kreative Ideen kommt, auf die man alleine nicht unbedingt gekommen wäre. Wenn man zum Beispiel eine Produktidee hat, fragen, welches denn die ideale Zielgruppe ist und welche Needs die hat. Man erhält dann ganz viele verschiedene Insights, warum die Zielgruppe Bedarf an diesem Produkt haben könnte. Das kann man dann für sich selber abwägen. Man kann theoretisch auch Studien dort eingeben oder Links zu Studien. Man braucht natürlich immer Datengrundlagen. Je besser die Daten sind, umso besser ist natürlich die Antwort. Da kommt echt toller Inhalt, muss man sagen. Zur Reflexion von vielen Dingen ist das mega spannend. Es gibt neben ChatGPT auch Tools, die darauf geschult sind, Geschäftsideen zu beurteilen. Oder Marketingstrategien zu schreiben. Du gibst einfach nur einen Satz ein, die Geschäftsidee, und die schreiben dir eine ganze Marketingstrategie. Oder die bewerten das. Du kannst eingeben: Ah, ich wollte immer schon mal einen Kräuterlikör rausbringen, der hat 40 Prozent Alkohol und der USP ist der besondere Geschmack. Dann sagt er: Ja, das ist eine gute Idee, weil so und so viele Leute Alkohol trinken. Dann fragt man nach dem gesundheitlichen Aspekt. Und der bewertet das so, wie es auch ein Unternehmensberater oder ein Investor es machen würde nach bestimmten Methoden, SWOT-Analyse wäre das einfachste. Es gibt noch ein paar andere Analysemethoden, so dass man sagen kann: Nimm diese Methode, bewerte das und beschreibe mir noch die Marketingkampagne dafür. Und einen Finanzplan. Das macht der alles. Und das ist richtig gut. Ja, unfassbar.

 

Darüber hinaus gibt es Tools für Projektmanagement, Präsentationen, Copy Writing, Video- und Bildgenerierung und so weiter. Apropos Bilder: Mir fällt immer wieder auf, dass Ältere in der Werbung nicht so dargestellt werden, dass sich die Zielgruppe darin wiederfindet. Man fühlt sich ja 10 bis 15 Jahre jünger, lebt oft in ganz anderen Lebenswelten.

 

Es gibt sehr viele unterschiedliche alte oder ältere Leute. Manche sind jung geblieben, manche nicht. Da muss man sicherlich mal passende Personas entwickeln. Es gibt andererseits auch 30-Jährige, die sind schon wie 60. Ich mag diese Kategorisierung nicht, Sinusmilieus und so was. Von daher wird man wahrscheinlich am besten auf Relevanz gehen. Das ist auch so ein Grund, warum ich mich vom Marketing ein bisschen abwende. Weil man so viele Produkte einfach nicht braucht. Die sollen dann auf Krampf verkauft werden ohne jegliche Relevanz, das macht keinen Sinn in meinen Augen.


„Wer hat denn da nicht gemerkt, dass 55plus einfach so nicht aussieht?“


Ich habe so ein Magazin, „Seniorenmagazin 55plus“ heißt das, ich meine, da zähle ich jetzt eindeutig zur Zielgruppe. Aber das ist so … beige gestaltet, da ist so ein graues Rentnerpaar vorne drauf. Da frage ich mich, wer liest das denn? Oder wer hat denn da nicht gemerkt, dass 55plus einfach so nicht aussieht? Da sind nur Liftanzeigen drin, Essen-nach-Hause-Anbieter und so. Ganz extrem. Das ist 80plus. Ich glaube, es geht eher darum, Lebenswelten zu definieren und das weniger am Alter zu orientieren. 

 

Ich erinnere mich daran, dass Jever Fun solch einen Ansatz fährt. Es wird zwar ein älterer Typ am Strand nach dem Surfen gezeigt, aber mit Jüngeren zusammen. Und dann trinken sie alle Jever. 

 

Es geht um Phasen, die unterschiedlich sind. Ich hatte neulich mal ein Projekt in einer Firma, da ging es auch darum, Personas zu bilden für das Thema New Work. Da habe ich gesagt, das muss man nach Lebensphasen unterteilen und nicht nach Jobs. Habe ich ein Kind oder habe ich keins? Bin ich gerade frisch verheiratet? Bin ich Single? Bin ich geschieden? Sind meine Kinder schon aus dem Haus? Da habe ich ja mehr Zeit als jemand, der 45 ist. So muss man das strukturieren, man muss sehen, welchen Bedarf die Leute haben. Und das hat mit Phase und mit Lebensformen zu tun. Die Lebensformen sind in den letzten Jahren vielfältiger geworden.

 

Was denkst Du über den Begriff „Senioren“?

 

Der Begriff an sich ist doch schon total misleading, auch was dieses Magazin betrifft. Ich kenne niemanden im Alter 55plus, der sich da wiederfindet. Das will man nicht. Deswegen finde ich auch deine Initiative so großartig, auch den Namen. Das ist eben eine vollkommen verkannte aber so wichtige Gruppe für die Arbeitswelt. Es wird sich um sehr viele Randgruppen gekümmert. Das sind aber oftmals so wenig Leute in der Bevölkerung, dass das mengenmäßig zu vernachlässigen ist, und niemand kümmert sich um Ältere, sagen wir mal 50plus 55plus. Aber das ist eine Gruppe, die für die Arbeitswelt hoch relevant sein wird. Super wichtig. Deswegen fand ich dieses Nutzungsverhalten von KI bei Älteren so interessant. Ganz viele Unternehmen sagen, ich brauche junge Leute. Niemand denkt daran, mal dieses Potenzial von Älteren zu nutzen, gerade 55 bis 68. Da sind die Kinder aus dem Haus, die können Vollzeit arbeiten, die wollen wahrscheinlich auch wieder ein stärkeres soziales Leben haben. Die sind offensichtlich neuen Technologien gegenüber aufgeschlossen. KI ist ja leicht zu benutzen, wenn man mal versteht, wie es geht. Es ist mir ein völliges Rätsel, warum das so ist und warum sich da keiner drum kümmert. 

 

Das war einer der Impulse für mich, für die Gang of Fifty zu gründen. Wie können die Jüngeren ein Verständnis dafür entwickeln?

 

Die sollen einfach mal Verständnis für ihren Nächsten haben zum Beispiel. Es ist ja okay, dass man sich auflehnt, aber am Ende geht es darum, Toleranz gegenüber anderen Menschen zu haben, egal wie alt, egal welche Rasse, egal welche Einstellung. Es geht darum, im Austausch zu bleiben und offen zu sein. 

Wenn wir jetzt über Unternehmen sprechen, geht es darum, wie man im Team die Stärken nutzt, die jeder zu geben hat. Zu wissen, was diese Stärken sind, das anzunehmen und nicht zu sagen: Ah, ja, der ist jung, der wird auf jeden Fall innovativen Dingen aufgeschlossen sein. Stimmt überhaupt nicht. Der kann vielleicht schneller damit umgehen, weil er Dinge schneller versteht. Das ist auch alles. Aber das ist eben genau nicht alles. Unsere Erfahrung bedeutet Wissen. Der kann viele Dinge nicht absehen, weil er die Erfahrung gar nicht hat. Der ist vielleicht auch nicht so tolerant, weil er noch jung ist und seine Interessen durchsetzen will. Wenn man also von diversen Teams spricht, dann heißt divers nicht nur Gender oder Ausländer, sondern es heißt auch jung und alt. Da geht es um Verständnis füreinander, da geht es um verbindende Werte.

 

Was früher gelernt wurde, geht heute aber teilweise ganz anders, weil sich der Kontext völlig verändert hat.

 

Lebenserfahrung hilft im Idealfall aus meiner Sicht, den Kontext besser im Sinne von weitsichtiger und emphatischer beurteilen zu können. Da fehlt bei den Jüngeren manchmal total das Verständnis und auch der Respekt den Älteren gegenüber. Vor dem, was sie geleistet haben, was sie durchgestanden haben. Logisch, denn woher sollen sie es auch wissen. Habe ich früher auch nicht gehabt Älteren gegenüber, aber das muss mal geklärt werden.

 

Und wenn Leute ab 50 oder 55 sagen: Ich brauche das nicht mehr, ich will das nicht oder warum sollte ich das noch machen? Allein vom Respekt kann sich ein Unternehmen, das irgendetwas produzieren oder vertreiben will, auch nichts kaufen.

 

Stimmt. Klar, abliefern muss man, aber das gilt bei den Jüngeren ja auch. Und da sind wir dann ja auch genau bei den wichtigen Themen. Zum Beispiel was tun wir gegen den Fachkräftemangel, wie optimieren wir die Effizienz in Unternehmen, wie senken wir die Krankheitsrate und so weiter. Das fängt mit verstehen Ann und dafür muss man beginnen, sich mit den Menschen auseinanderzusetzen.

 

Sind in Deinen Führungskräfte-Trainings Jüngere und Ältere?

 

Das ist tatsächlich gemischt. Der Jüngste war vielleicht 20, und der älteste war Ende 50.

 

Gibt es Unterschiede in der Zusammenarbeit? Wo sind die Bedarfe und wie hilfst Du da?

 

Bei den Jüngeren ist es viel Mentorship. Tatsächlich hilft da dann die Lebenserfahrung. Weil die natürlich noch nicht diese ganzen Mechanismen kennen. Die jüngeren Leute haben sich noch nicht so viel mit sich selbst auseinandergesetzt. Bei den Jüngeren ist mein Mentorship-Programm sehr hilfreich. Für beide Seiten im Übrigen. Jüngere beschäftigen sich mit anderen Dingen am Anfang. Diese Reflexion: Was habe ich eigentlich bisher gemacht und wo stehe ich eigentlich? Das macht man erst in der Mitte des Lebens.

 

Geht es um Mechanismen auf der zwischenmenschlichen Ebene?

 

Es geht um Persönlichkeitsentwicklung: Wofür stehe ich eigentlich? Was kann ich eigentlich gut? Was sind meine meine Stärken und wo nehme ich meinen Selbstwert her? Also nicht nur, weil ich jung und kraftvoll bin. Dieses Selbstbewusstsein sollte man mitbekommen haben, wenn man Glück hat. Aber dann merkt man irgendwann: Okay, ich habe eigentlich gedacht, ich kann alles. Jetzt merke ich aber, das kriege ich nicht hin. 


„Wenn man älter ist, hat man einfach mehr gelernt. Auch, was Schicksalsschläge ausmachen und wie man damit umgeht.“


Man wird irgendwann mit der Realität konfrontiert oder man hat plötzlich Schwierigkeiten, weil man auf einmal Themen hat, bei denen man nicht weiß, wie man die lösen kann. Wenn man älter ist, hat man einfach mehr gelernt. Auch, was Schicksalsschläge ausmachen und wie man damit umgeht. Man musste lernen, entweder geht man daran zugrunde oder man weiß damit umzugehen. Es geht um das Erlernen von: Wie gehe ich mit solchen Dingen um? Was ist eigentlich meine Stärke? Was macht das Leben eigentlich aus und was mache ich eigentlich gerne? Woher hole ich meine Energie? Ich glaube, dass lernen junge Leute heute leider nicht, auch nicht in der Schule und auch selten zu Hause. Man muss sein eigenes Selbstwertgefühl und auch das Selbstbewusstsein aufbauen.

 

Viele Jüngere haben schon ein ausgeprägtes Selbstbewusstsein.

 

Wenn das nicht zu Überheblichkeit und dann zu Enttäuschung führt, ist das ja auch gut. Wenn es aber nicht so ist, wird man sich Wohl oder Übel irgendwann mal selbst hinterfragen müssen, wenn man aufgrund seines Verhaltens auf Grenzen stößt.

 

Was sind denn die typischen Hindernisse für die Älteren?

 

Zum Beispiel zu merken, dass man nicht mehr so schnell ist. Dass man vielleicht überfordert ist mit der ganzen Geschwindigkeit der Entwicklung. Dass man Angst hat, überhaupt nicht hinterher zu kommen oder auch Existenzangst, keinen Job zu finden, Altersarmut etc. Das hat man als junger Mensch nicht wirklich, die Welt steht einem offen. Wenn man älter ist, ist das nicht so, weil man manchmal den Weg, den man gemacht hat, hinterfragt: War das eigentlich alles so richtig? Die Möglichkeiten werden mit den Jahren weniger. Man lernt nicht mehr so schnell jemanden kennen, man findet nicht mehr so leicht einen neuen Job. Man merkt irgendwie: Oh Gott, das wird mir hier alles zu viel. Die Welt verändert sich so und ich komme nicht mehr mit. Am Ende hat es mit eigener Kraft zu tun. Und wie heißt es so schön: Abgerechnet wird am Schluss.

 

Die Herausforderung annehmen und was draus machen?

 

Ja. Was ich zum Beispiel ganz toll finde: Ich habe gestern gelesen, dass Richard Branson Private Equity vergibt für Start-ups, die von Älteren gegründet sind. Sein Unternehmen Virgin unterstützt Start-ups von Leuten, die über 50 sind. Fand ich total interessant, weil er sagt, das ist eine riesige Gruppe, die wollen alle noch was machen, die haben totale Ahnung von vielen Dingen, das ist eine super Gruppe für Investitionen.

 

Mut ist immer gut. Aber ich höre öfter Menschen ü50 über Angst reden. Manche sind schlichtweg froh, wenn sie irgendwo untergekommen sind. Viele haben Angst, auf den letzten Metern vor der Rente noch etwas zu versemmeln. 

 

Das ist auch so, dass man ein bisschen Angst hat. Wie lange bleibe ich noch gesund? Wie viel Zeit bleibt mir, um überhaupt noch diese Kraft zu haben? Aber es wäre traurig, wenn man aufgibt. Ich bin auch immer kurz davor zu überlegen: Lass’ ich mich jetzt wieder anstellen? Nee, mach’ ich nicht …

 

… weil Du besser mit Pferden kannst, wie wir wissen.

 

(lacht) So einen Schmetterling würde ich auch nicht anstellen.

 

Kraft haben, sich körperlich fit halten ist das Eine. Das Andere ist Wissens-Fitness, Life Long Learning. War das früher eigentlich auch schon so wichtig? 

 

Ich glaube, das ist heute wichtiger als früher, weil die Komplexität sich verändert hat und die Veränderungen exponentiell sind. Das war früher überhaupt nicht so. Es ist wichtig, sich immer weiterzubilden, zu verstehen, wie Dinge funktionieren und wie die sich verändern. Das hat ganz klare Auswirkungen darauf, wie man arbeitet, wie die Gesellschaft sich verändert. Da gibt es mittlerweile echt tolle, tolle Anbieter, die so MicroLearning anbieten, wo man in kürzester Zeit Dinge relativ schnell versteht. Aber man kann das ja auch mit KI machen, die kann einem ganz viele Dinge beibringen.

 

Ist das für Frauen noch mal eine ganz besondere Herausforderung? Frauen sind in Unternehmen noch immer unterrepräsentiert, sind schlechter bezahlt und müssen sich immer mehr beweisen, als Männer. Oder ist es sogar eher eine Chance, nun aufzuholen und die Männer zu überholen?

 

Hm, ich bin nicht so ein Freund von dieser Kategorisierung. Ich glaube, das ist eine Einstellungsfrage, wie sehr man Frau ist oder wie emanzipiert man sein möchte. Ich kenne viele Frauen, die haben wenig gearbeitet oder haben eine tolle Ausbildung gemacht, aber die haben sich praktisch nur um die Familie gekümmert, was ich auch großartig finde. Dadurch haben sie natürlich viele Sachen nicht gemacht, die der Mann wiederum gemacht hat. Ich glaube schon, dass Frauen in Teilen einen großen Nachteil haben. Ich finde aber auch nicht gut, wenn Frauen all das machen, was Männer machen, ehrlich gesagt.

 

Was denn zum Beispiel?

 

Die Sportschau moderieren. Wenn eine Frau ein Fußballspiel moderiert, das finde ich grauenvoll.

 

Woran liegt das?

 

Ich weiß nicht. Ich finde, Frauen müssen weiblich sein und nicht plötzlich anfangen, wie Männer zu sprechen und männliche Dinge zu machen.

 

Ist es weniger weiblich, ein Fußballspiel zu moderieren? Es ist doch eine Frage der Kompetenz.

 

Nee, ich finde, es gibt weibliche Dinge und es gibt männliche Dinge. Fußball ist was Männliches, weil das ein harter Sport ist, weil der grob ist. Ich finde, das passt zu Frauen irgendwie nicht.

 

Ich sehe gerade ganz viele Frauen widersprechen und die Hände über dem Kopf zusammenschlagen. Viele würden sagen, das ist ein sehr klassisches Rollenverständnis.

 

Das ist eigentlich mein Verständnis. Bei aller Freiheit, aber ich finde, Weiblichkeit muss auch weiblich bleiben und nicht männlich werden. Zumindest nicht so extrem. Wenn alles gleich wird, ist es auch nicht mehr besonders vielfältig.

 


„Ein authentischer Mensch, der weiß, wofür er steht, braucht eigentlich kein Personal Branding.“


Einmal unabhängig vom Geschlecht: Wie wichtig ist heute Personal Branding? 

 

Ich habe so meine Schwierigkeiten mit Personal Branding, weil es leicht aufgesetzt wirken kann. Sicherlich ist es wichtig zu wissen, wer man ist, wofür man einsteht, wie man auftritt, kommuniziert und so weiter, und dafür sollte man einen gewissen Prozess der Persönlichkeitsentwicklung durchlaufen haben. Ein authentischer Mensch, der weiß, wofür er steht, braucht eigentlich kein Personal Branding. Das was er ist, ist die Brand. Alles andere kann schnell gewollt und unauthentisch wirken.

Das ist auch der größte Fehler bei einer Markenpositionierung oder bei einer Kulturentwicklung. Da sitzen dann alle und überlegen, was sie gerne sein würden, weil man das jetzt so macht und weil es vielleicht der Zielgruppe am angenehmsten ist und nach außen gut aussieht. Aber das ist nicht unbedingt das, was wirklich authentisch und echt vorhanden ist. 

 

Auf deiner Website hast Du auch Bilder von Dir und machst Dein Angebot damit persönlicher. Und auf LinkedIn folgen die Leute nicht nur Deinen Beiträgen, sondern Dir als Person. Das ist auch eine Form von Personal Branding. 

 

Ja, stimmt. Aber ich folge keiner Strategie, sondern meiner Intuition. Branding ist für mich eher etwas künstlich Erzeugtes und nichts natürlich Entstandenes. Wir sollten hier von Persönlichkeiten und nicht von Marken sprechen.

 

Wir haben vorhin über Werte und Tradition gesprochen. Es heißt ja in Bezug auf Tradition: Nicht die Anbetung der Asche, sondern die Weitergabe des Feuers. Ihr habt in eurer Familie solch ein vierzigprozentiges Feuer, den Kräuterlikör Heidediesel. Ist es Dir wichtig, diese Tradition fortzuführen?

 

Tradition oder besser gesagt, das Bewusstsein für die eigene Historie und Familie ist mir sehr wichtig. Es sind ja unsere Wurzeln und für mich ist es ein schönes Gefühl der Verbundenheit mit meinen eigenen Wurzeln, diese Familientradition der Likörproduktion und dem Vertrieb aufrechtzuerhalten. Und vor allem haben alle Liköre, die mein Vater produziert hat, einfach superlecker geschmeckt. Ich durfte als Kind immer mit dem Finger aus den alten Tonfässern etwas probieren.

 

Wie kam es zu dem Namen Heidediesel?

 

Hat mein Vater sich ausgedacht. Der hat sich immer lustige Namen ausgedacht. Er hat auch einmal einen Jagdbitter gemacht, den hat der Waldheini genannt. Mein Vater wollte eigentlich was anderes machen und der musste dann diese Firma übernehmen. Dann hat er das alles so aus Spaß gemacht und hat sich lustige Dinge ausgedacht.

 

Du bist gerne auf dem Land, ist das so eine Art Stadtflucht?

 

Ich bin auf dem Land groß geworden. Ich bin glaube ich mehr geritten, als zu Fuss gegangen. Verstecken haben wir im Wald auf Ponys gespielt. Es war ein bisschen wie auf dem Immenhof. Mich engt das ein in der Stadt. Ich fühle mich irgendwie wohler auf dem Land.

 

Embrace the struggle and keep moving bedeutet dann eben auch mal Rückzug?

 

Oh ja! Als introvertierter Mensch brauche ich ab und zu Zeit für mich. Viele Veranstaltungen und viele Menschen rauben mir schnell meine Kraft. Und neue Energie tanken kann ich nur auf dem Land.

 

Tatjana Meyer, Jahrgang 1966 ist Spezialistin für Leadership Branding, Kommunikation & generative KI. Sie leitet ein kleines Familienunternehmen in vierter Generation. Mit über 35 Jahren Berufslebenserfahrung, u.a. als Managing Partner einer Werbeagentur, hat sie Kunden wie Otto, Deichmann, E.ON und die Deutsche Post/DHL beraten. Sie arbeitet ehrenamtlich als Mentorin u.a. für die Entrepreneurs Organization, wo sie über 12 Jahre Mitglied. war. Jüngst hat sie die Initiative „Make a mark“ gegründet, wo es u.a. um Empathie, Verbundenheit und Selbstreflexion geht. Ziel ist es, die Welt zu einem besseren Ort zu machen, indem wir bessere Beziehungen aufbauen.


Auf dem Land – Jenseits von Afrika

Lieblingssongs/-interpretInnen:

Lieblingsbuch/-Podcast:

Siddhartha von Hermann Hesse

Lanz & Precht

Lieblingsfilm/-serie:

Jenseits von Afrika

Lieblingsmarke:

Lieblinsgreiseziel:

Mein Zuhause

Lieblingsessen:

Curry

Lieblingsspruch:

If you want to change the world go home and love your family.

Unterirdisch finde ich …

… Unaufrichtigkeit. 

Ich chille am besten, wenn ich …

… auf dem Land.

Meine größte Freude ist es, …

… mich mit Menschen zu umgeben, die Interesse aneinander haben.


©Bild: Ries Bosch auf Unsplash


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