KATJA GARFF, 54 

UND NILS WULF, 57

MAKERS & BREAKERS

 

 „Ich hatte das Gefühl ein neues Leben zu beginnen, vielleicht bloß, weil ich noch nie eine Schiffsreise gemacht hatte. Ich genoss es, unerreichbar zu sein.“

– Max Frisch, Homo Faber

 „Wohin man auch geht, sich selbst entkommt man nicht. Es ist so wie mit dem eigenen Schatten, der folgt einem auch überallhin.“

– Haruki Murakami, Nach dem Beben


GoF: Auf Eurer Unternehmens-Website steht „Wer nichts verändern will, der braucht uns nicht.“ Das ist mal ein selbstbewusstes Statement.

 

Nils: Katja, starte Du mal, der Satz kam ja primär von Dir damals.

 

Katja: Ja, Veränderung macht Spaß, und tatsächlich war das einer der Leitsätze damals, als wir in die Selbstständigkeit gestartet sind. Man überlegt ja, was prägt einen, was kann man beitragen, um andere auch wirklich gut zu beraten. Es gibt Consultants, die bestätigen eher, was Kunden gerne hören wollen. Und es  gibt Consultants, die vielleicht auch mal unbequem sind. Ich glaube, wir gehören zur unbequemen Sorte. 

Ich bin auch bei mir selbst unbequem, das habe ich immer so gehalten. Das  heißt, ich habe immer in Frage gestellt, wie es jetzt gerade ist. Der Status quo war nie das Ziel, und für mich war Stillstand auch immer Rückschritt. Das ist etwas, das man in seinem Mindset mitnimmt, es fängt als kleines Kind an, und es hört auch jetzt mit Mitte fünfzig nicht auf. Ich finde generell Entwicklungen sehr spannend. Ich muss nicht alles gut finden, aber erstmal schaue ich Sie mir an, denn bevor ich mir meine Meinung bilde, muss ich ja verstehen, was da passiert. Das ist etwas, was mich antreibt und was wir auch in unsere Unternehmens-DNA übernommen haben.

 

Nils: Bei mir ist es ähnlich, es betrifft eben gar nicht nur den Job, sondern alle Lebensbereiche, weil ich nichts spannender finde, als neue Dinge auszuprobieren und verstehen zu wollen. Ich bin so ein Klassiker dafür, sich auch gerne mal zu verlieren in diesen ganzen Themen, weil es eben wahnsinnig spannend ist, was da draußen alles passiert. Alles, was man unter ,lernen‘ subsumiert, macht mir total Spaß. Ich bin wie ein Scanner, schaue, ob ich ein Thema interessant finde, ob sich da eine neue Tür auftut, und dann gehe ich da rein.

Ich mache zum Beispiel gerade verschiedene KI-Workshops, um zu verstehen, was sich dahinter verbirgt, welche Chancen sich daraus ergeben. Ich habe damals ein geisteswissenschaftliches Studium gemacht, daher interessiert mich auch heute noch der gesellschaftliche Kontext. Was macht KI mit der Gesellschaft? Was hat das für Auswirkungen auf das Zusammenleben? Wie wird sich das Ganze noch verändern?

Da wir nun alle Eltern sind, finde ich das Thema auch total spannend, um eine Gesprächsebene mit den Kindern zu  haben. Zu verstehen, wie deren Lebens- und Gedankenwelt ist, aber trotzdem dabei ein möglichst offener Gesprächspartner zu sein. Dafür muss man gewissen Dinge wissen und verstehen.

 

Wenn man Kinder hat, halten sie einen schon deswegen jung, weil immer irgendwas Unerwartetes oder Unbequemes reinkommt, womit man sich dann auseinandersetzen und hinterfragen muss. Das alles unter einem gewissen Druck, weil man seinen Kindern ja einerseits etwas mitgeben möchte, und auf der anderen Seite hat man eine gewisse Lebenserfahrung, aus der heraus man manchmal schon weiß, dass ein bestimmter Weg vielleicht nicht der beste ist.

 

Nils: Ja, und ob das dann immer gut ist, dass man diesen Umbrella aufspannt, sei mal dahingestellt. Da finde ich es gut, sich immer wieder zu hinterfragen: Ist das jetzt gerade richtig, was ich tue? Perfekt wird man es nie machen, das ist mir auch klar, aber eine gute Balance zu finden zwischen ,mach’ Deine eigenen Erfahrungen‘ und ,ich steh‘ trotzdem an Deiner Seite‘, eint wohl alle Eltern.

 

Katja: Es stellt sich auch die Frage, ob unsere Erfahrungen, die wir gemacht haben, heute noch immer passen und ob die auch für zukünftige Zeiten gelten. Man muss da schon sehr aufpassen, egal ob es die eigenen Kinder sind oder andere junge Menschen, die man vielleicht als Mentor begleitet. Man darf nicht immer nur im eigenen Erfahrungsschatz kramen. Vieles wird heute ganz anders bewertet und definiert, da kann man nicht immer sagen ,das haben wir aber schon immer so gemacht und das hat sich doch bewährt‘. Da muss man manchmal einen Schritt zur Seite gehen und sagen: Das war für mich in der Zeit damals richtig. Aber ist das auch für die Zukunft richtig?


„Für die Jüngeren sind das ja Fixsterne, und die würden gerne mehr erfahren von deren Lebensleistung.“


Man hat ja noch nicht abgeschlossen. Also, wenn das gut läuft, haben wir ja noch dreißig Jahre vor uns, und da möchte ich nicht auf dem Abstellgleis stehen, so, wie es doch bei Vielen ist, das sage ich ganz offen. Aber da rede ich eher von 70plus, wo es dann immer heißt ,früher sind wir noch im Wald durch den Schnee zur Schule gegangen‘. Das wollte ich nie, und da pfeife ich mich dann auch zurück, wenn mir so ein Satz mal auf der Zunge liegt. Gerade jetzt in der Generationsdiskussion mit der Gen Z ist es wichtig, diese Offenheit zu bewahren und erst einmal zu gucken, ob die nicht auch einiges genau richtig machen für das, was kommt.

 

Einfach machen, offen sein, auch mal Regeln brechen, das sind zwei Aspekte, die ich auch in Eurem Agenturenamen wiederfinde, makers & breakers: Makers heißt ja ,Ärmel hochkrempeln, los geht’s‘, – und breakers bedeutet für mich, etwas zu machen, um damit Regeln zu brechen. Also wieder das Thema Veränderung. 

 

Nils: Stimmt! Aber eigentlich hätten wir den Namen andersrum wählen müssen. Denn wenn Du einen Workshop von uns als Beispiel nimmst, dann läuft der oftmals über zwei Tage, und Tag eins ist der Breaker-Tag, weil da die Karten auf den Tisch gelegt werden. Da werden Dinge hinterfragt, da sind wir wahnsinnig unbequem, sodass wir manchmal fast Angst haben, dass die Klienten morgen nicht mehr wiederkommen. Weil alles in Einzelstücken da liegt, weil alles hinterfragt ist, weil alles offen scheint. Aber am nächsten Tag führen wir die Dinge dann wieder gemeinsam zusammen, um eine neue Richtung zu finden und einen Weg zu definieren.

Aber Du hast schon Recht, und so sind wir auch einfach als Personen. Alles immer wieder zu hinterfragen, den Status quo nicht einfach stehen zu lassen, sondern zu schauen, was gibt es für Alternativen? Was kann man vielleicht sonst noch machen? Nicht um Trends nachzurennen, sondern um herauszufinden, was für die individuelle Anforderung zielführend sein kann. Wenn wir dann die Richtung gefunden haben, dann machen wir das auch, dann ziehen wir das von da aus einfach durch. Das ist wichtig, weil alles so schnelllebig ist, und sonst würde man diesen Schwung verpassen. Klar, wir machen auch mal Fehler auf dem Weg, aber man justiert dann und darum bringt es die Klienten letztlich weiter.

 

Wenn ich das so höre, dann sind das alles Verhaltensweisen, die oftmals eher Jüngeren zugerechnet werden: machen, versuchen, Regeln brechen, anders machen, nochmal, nochmal. Aus meiner persönlichen Erfahrung und aus vielen Gesprächen weiß ich aber, dass der Veränderungswille und die Lust am Machen mit fünfzig, sechszig oder siebzig Jahren längst nicht aufhört. Meine Mutter ist Mitte achtzig, und die brauchte jetzt gerade wieder ein aktuelleres iPhone, weil das alte Betriebssystem ihre Onlinebanking-App nicht mehr unterstützt.

Aber ich habe das Gefühl, dass viele Unternehmen die Lebenswirklichkeit älterer Menschen falsch einschätzen. Das gleiche gilt für die Werbeagenturen, die traditionell eher auf Jüngere setzen. Karsten Gessulat, Geschäftsführer von der Kreativagentur Average Sucks, sagte mal: „Agenturen haben wenig Interesse an älteren Kolleginnen und Kollegen, es fehlt an Wertschätzung und adäquater Bezahlung. Wir brauchen klare Briefings für Headhunter, dass sie uns auch Kandidatinnen und Kandidaten Ü50 präsentieren sollen.“ Ihr wart ja gerade beim diesjährigen ADC, wie viele Menschen Ü50 habt ihr da getroffen?

 

Nils: Das muss man trennen, denn wir waren an zwei Tagen beim ADC. Am ersten Tag war der Talent Day. Der Großteil waren da natürlich jüngere Menschen, so bis bis Mitte dreißig, und ein paar interessierte Ältere waren auch da. Aber was ich total schade fand: dass von den Agenturchefs und von leitenden Figuren der Agenturen nur ein Bruchteil am ersten Tag da war. Aber am zweiten Tag, als die Award Show und die After Show Party stattfanden, da waren sie komplett versammelt.

Ich fand es total schade, denn für die Jüngeren sind das ja deren Fixsterne, die würden gerne mehr erfahren von deren Lebensleistung. Ich muss es ja nicht genauso machen, aber ich möchte von Dir lernen.

 

Katja: Ja, da schließe ich mich voll an. Ich fand das sogar sehr erschreckend, diesen totalen Zwiespalt zwischen den beiden Tagen: Congress Talent, inklusive Talent Show mit fantastischen Arbeiten, da kommt eine mega Generation auf uns zu. Gott sei Dank. Ich bin ein großer Fan davon, und auch in meiner früheren Position, bei Weischer haben wir immer Talentwettbewerbe gesponsert und gefördert. Mit makers & breakers sind wir dabei geblieben, machen Creative Camps, sind Coaches, arbeiten für Talentwettbewerbe oder sind Mentoren beim D&AD Shift Program, wo es um Quereinsteiger in die Branche geht. Wir  suchen immer den Austausch, und das nicht nur, weil wir Personalvermittler sind. Denn machen wir uns nichts vor, ein Personalvermittler verdient an einem Junior natürlichen nur einen Bruchteil dessen, was er an jemandem auf C-Level verdient.


„Die haben Humor reingebracht, die haben Wissen reingebracht, die haben Ruhe reingebracht, die haben mal die Mentorenrolle übernommen, mal die Kollegenrolle und mal die lernende Rolle.“


Aber das war nie unser Ansatz. Wir brauchen diesen Austausch, und ich fand es wirklich, wirklich erschreckend, dass sich kaum jemand für die Talents interessiert, denn die sind alle da. Und wenn es dann manchmal noch ein abwertendes, arrogantes Exzellenzgehabe gibt, das teilweise aus meiner Generation sowie zehn Jahre drüber und sogar darunter kommt, führt es dazu, dass die jungen Berufseinsteiger sagen: Genau das wollen wir nicht, so wollen wir nicht werden. Und wenn sie das auf unsere gesamte Generation übertragen, dann kann ich die sogar verstehen, muss ich ganz ehrlich sagen.

Nun wissen wir, dass natürlich längst nicht alle so sind, aber es sind eben noch einige so, auch Frauen. Es sind auch die mitfünfziger Frauen aus dieser Branche, die nach wie vor sagen ,Ich habe mich damals auch durchgebissen‘, aber das will keiner mehr hören, es interessiert keinen mehr. Und wenn wir das ständig wiederholen und die Jungen das spüren lassen, dann wollen die uns nicht, dann wollen die nicht mit uns zusammenarbeiten. 

Aber dieses Verhalten können sich natürlich auch nur die Chefs leisten. Dabei gibt es auch viele, die einfach sagen ,Ich bin Ü50, ich möchte einfach cooles Zeug machen. Ich bin entweder ein guter Kundenversteher, ich komme super mit meinen Kunden klar, oder ich bringe Insights mit, oder ich bin gut in der Teamverantwortung, oder ich bin einfach noch immer so ein bekloppter  Kreativer, der nicht anders kann‘. Die wollen nicht alle Chefs sein, aber in der Chefetage haben wir ein Problem, und das strahlt ab auf die junge Generation, und da muss man sich eben auch mal selbst hinterfragen. 

 

Ich hätte nicht gedacht, dass es diesen Generationskonflikt in der Agentur-Szene gibt, die ja nach außen hin stets so hip und offen wirkt. Es ist natürlich umso erschreckender, wenn auch dort das ,okBoomer‘-Bild und das Stereotyp der alten weißen Männer und Frauen immer wieder bestätigt werden. Gibt es in der Szene auch umgekehrte Fälle, dass die Jüngeren in den Zwanzigern oder Dreißigern nicht offen genug sind und keine Lust haben, sich mit einem 55-jährigen Kreativen zusammenzusetzen? 

 

Nils: Hm, ja, aber ich habe zwei ganz tolle Gegenbeispiele. In jüngster Zeit haben wir genau die Zielgruppe, über die wir jetzt gerade sprechen. Wir haben in einer Agentur nach etwas längerer Diskussion zwei Positionen mit Kreativen Ü50 besetzen können. Das hat mich total gefreut, und ich habe im Rahmen des ADC junge Kollegen dieser beiden Neueinstellungen getroffen. Die waren total happy, weil beide Seiten einfach offen reingegangen sind. Beide Seiten haben einfach gesagt, Du, ich gebe Dir eine Chance. Die haben Humor reingebracht, die haben Wissen reingebracht, die haben Ruhe reingebracht, die haben mal die Mentorenrolle übernommen, mal die Kollegenrolle und mal die lernende Rolle. Die haben aber auch gesagt, ich bin nicht digital aufgewachsen wie Du, aber ich finde das total spannend. Also zeig mir das, erkläre mir das, ich würde gerne mehr davon lernen. 

Wenn wir es schaffen, mit dieser Offenheit ranzugehen, dann funktioniert dieses Konzept, weil jedes soziale Konstrukt immer auch die Diversität in der Altersstruktur braucht. Ohne das geht es nicht, dann wird es eine Monokultur. Das ist immer schlecht für eine Agentur oder ein Unternehmen, das eigentlich den Gesamtmarkt bedient. Wenn Du Dir die Agentur-Klientel anguckst, dann werden da ja nicht nur Marken für Dreißigjährige beworben, sondern da sind ganz viele Marken, die weit in die Gruppen der Fünfzig- oder Sechszigjährigen und älter hineingehen, wo im Übrigen eine Menge Kohle steckt.

 

Katja: Ich habe noch nie, wirklich noch nie von Jüngeren, bis sagen wir Mitte dreißig, gehört, dass sie nicht mit älteren Kollegen zusammenarbeiten wollen. Wir als Consultants profitieren selbst davon, dass wir älter sind. Alle unsere Kunden sind jünger, die ältesten sind Mitte vierzig. Ich habe überhaupt nicht den Eindruck, dass es die jungen Leute sind, die das machen. Klar, wir alle kennen Agentur Boomer und wie sie sich lustig machen über den Mittelstandsmanni, das gibt einem manchmal so einen kleinen Stich in der Brust. Man fühlt sich da manchmal auch ein klein bisschen ungerecht behandelt, denn man hat doch irgendwie alles getan, sich den Arsch aufgerissen. Ich war in den Achtzigern auch gegen Atomkraftwerke auf der Straße, aber ich empfinde das nicht als bösartig.

Wir dürfen einfach bei den Agenturen und bei den Personalvermittlern nicht locker lassen. Man muss ihnen diese Leute 50plus einfach vorstellen. Natürlich freuen wir uns riesig, wenn das funktioniert, aber das ist kein Selbstgänger. Wir hören da schon häufig ,Ja, das ist ein cooler Typ, das wissen wir auch, aber wir müssen jetzt den Kunden zeigen, dass wir digitale Leute haben.‘ Hauptsache jung, die Gehaltsdiskussion kommt da ehrlicherweise gar nicht als Erstes, das war vor fünf Jahren im Bereich unterhalb C-Level noch anders. Da hieß es, dass die Erfahrenen alle zu teuer sind, mittlerweile sind die Jungen genauso teuer, die nehmen nämlich auch Mordsgehälter. Ein Senior Art Director Ü50 will auch nicht mehr Geld als ein Senior mit 29. Das Blöde ist nur: Die Jüngeren wechseln ja alle zwei Jahre. 


„Wie sollen diese jüngeren Personen die Gefühlswelt einer Frau mit Mitte fünfzig verstehen und dann auf Augenhöhe mit ihr kommunizieren?“


Nils: Und im Übrigen: Es gibt da eine ausgeprägte Angst, dass jemand, der mit fünfzig reinkommt, eigentlich ein Downscaling macht, also eigentlich kurz vor der Geschäftsführung steht, dann aber bewusst sagt, dass er keine Führungsverantwortung übernehmen möchte und einfach mal ein oder zwei Stufen runtergehen will. Diesen Menschen traut man nicht zu, dass sie sich einfügen können: ,Um Gottes Willen, wenn wir den jetzt eine Position drunter einstellen, dann wird der doch kreuzunglücklich‘. Dabei ist es einfach eine Frage des Mindsets. Wenn das so für mich okay ist, dass ich mich vom ECD zum Senior downgrade, auch gehaltlich, wenn ich mich in die Reihen einordnen möchte, wenn ich diesen Führungsdruck nicht möchte und ich mich einfach auf einen guten Job konzentrieren möchte, dann funktioniert das in der Regel. Wenn es zwanghaft passiert, funktioniert es nicht. 

 

Dabei wäre das offenbar wichtig, denn laut GWA sind 50 Prozent der Mitarbeitenden in Agenturen unter 35, nur sieben Prozent sind über 50. Es stellt sich die Frage, ob die 25- oder 30-Jährigen wirklich die Zielgruppen der 50-, 60-, 70- oder 80-Jährigen, die eine unglaubliche Kaufkraft haben, wirklich passend ansprechen können.

 

Nils: Ich bin der Meinung, dass das sehr schwierig ist. Es gibt diese komplett verschiedenen Lebenswelten der Generationen. Das beste Beispiel dazu habe ich in einem englischen Kommunikations-Magazin gelesen. Da gab es ein Team, das für Damenhygiene für ältere Frauen zuständig war. Neben der älteren Teamleiterin waren das alles Frauen Anfang dreißig. Die kamen irgendwie nicht voran, und die Leiterin sagte, ,Ganz ehrlich, ich kann bei dem Thema aus eigenem Erleben berichten, aber für euch dauert es noch rund dreißig Jahre, bis ihr da mitsprechen könnt.‘ Wie sollen diese jüngeren Personen die Gefühlswelt einer Frau mit Mitte fünfzig verstehen und dann auf Augenhöhe mit ihr kommunizieren? Das kannst Du auf viele andere Bereiche adaptieren. Ich hätte mit Mitte zwanzig oder Anfang dreißig auch die Lebenswelt meiner Eltern nicht wirklich verstehen können, was deren Treiber sind, was sie sich noch vom Leben erwarten. Deswegen braucht es diverse Teams.

 

Gibt es dieses Verständnis eigentlich unternehmensseitig? Ich glaube, dass viele Unternehmen noch gar nicht die wirtschaftliche Relevanz dieser älteren Zielgruppen erkannt haben. Darum gibt es auch von Unternehmen keine Nachfrage in Richtung Kommunikationsagenturen, dass sie mit diesen Menschen sprechen wollen – sofern sie überhaupt passende Produkte und Services haben. Ohnehin gäbe es meines Wissens im deutschsprachigen Raum keine einzige spezialisierte Agentur, die das könnte.

 

Nils: Das Einzige, was mir mal begegnet ist, war eine Agentur, die sich auf Werbung in Senioren- und Altersheimen fokussiert hat. Aber das ist noch einmal wieder etwas anderes, und es ist wahnsinnig speziell. Aber mir ist weder eine Agentur bekannt, die sich darauf spezialisiert hat, noch eine, die ernsthaft plant, wenigstens eine Unit zu eröffnen, um genau diese zahlungskräftige Zielgruppe anzusprechen.

(…)

 

 

Lesen Sie im zweiten Teil des Gesprächs:

Warum Unternehmen einer gefährlichen Fehleinschätzung unterliegen. Wieso Frauen spätestens mit den Wechseljahren unsichtbar werden. Und weshalb es Hip-Hop-Agenturen gibt, aber keine einzige Agentur für 50plus.

 

Zum zweiten Teil

 

 

Katja Garff war Marketingleiterin im B2B-Bereich und Repräsentantin der Cannes Lions. Nils Wulf betreute bei einigen der renommiertesten Medienvermarkter Deutschlands zahlreiche Werbekunden und Unternehmen und war verantwortlich für das Neugeschäft. Zusammen gründeten sie 2016 den Personalvermittler makers & breakers in Hamburg. 


©Bild: Johny Goerend auf Unsplash


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