„Nein. Doch. Nein. Doch. Oooooh!“
(Louis de Funès in „Hasch mich ich bin der Mörder“, 1971)
Auf der einen Seite die Generation Z, auf der anderen die Boomer: Die HR-Abteilungen in den Unternehmen müssen sich auf die aktuelle Situation einstellen. Gar nicht so einfach angesichts der unterschiedlichen Ansprüche dieser beiden Alterskohorten. Wen sollen sie einstellen?
Während die Jüngeren vor dem Hintergrund der in Rente gehenden Boomer als auch des Fachkräftemangels ihre Macht auf dem Arbeitsmarkt genau kennen und einen Job mit einem Schulterzucken quittieren können, ist eine Entlassung mit 55 eine ernsthaft bedrohliche, existenzielle Situation. Denn auch wenn Unternehmen händeringend nach Arbeitskräften suchen, werden selten über 50-Jährige eingestellt. Statt auf die Erfahrung und das Wissen dieser Generation zu setzen, wird das Unternehmensethos auf die Ansprüche der Gen Z gedreht. Der Konflikt verhärtet sich zunehmend, denn die Sicht auf die Generationen folgt oftmals gängigen und medial vielfach bedienten Mustern. Die Alten: zu eingefahren, zu beharrend, zu teuer – zu wenig digital, zu wenig aufgeschlossen und zu wenig kompromissbreit. Da wähnt man sich auf der sicheren Seite, die generationsbedingte Anspruchsverschiebung ins Unternehmen zu übertragen und die Z-ler einzustellen. Aber ist das zukunftsfähig? „Hat die Generation der Baby-Boomer den Nachfolge-Generationen die Welt als Scherbenhaufen hinterlassen oder ist ein solcher Eindruck lediglich jugendlichen Ängsten geschuldet? Sind die Probleme, vor denen junge Menschen heute stehen, schwerwiegender als die Krisen von früher? Und verlaufen die Fronten wirklich zwischen jung und alt?“ (1)
Die Nervosität verschärft sich
„Ok Boomer“ auf der einen Seite, „verzärtelte Schneeflöckchen“ auf der andern Seite, das eine ist stets das reflexhafte Echo auf das andere. Es fällt zunehmend schwerer, diesen geschlossenen Resonanzraum zu verlassen, da alles begierig in die medialen Erregungsschleifen gesaugt und dort potenziert wird. Mit Konflikten lassen sich Headlines, Artikel und Diskussionsrunden gestalten, je verhärteter die Frontlinie, umso größer Auflage und Reichweite. Dabei ist die Reibung zwischen Alt und Jung beileibe nichts Neues. Das Beharren auf den tiefgreifenden Erfahrungen einerseits und dem Drang, das Vorhandene weiterzuentwickeln andererseits, ist ein ein natürlicher traditioneller Ritus zwischen Alt und Jung. Aber vor dem Hintergrund der heutigen Klimakrise, der steigenden Verunsicherung und der zunehmenden Volatilität in allen Lebenslagen, verschärft sich die Nervosität. Diese wird nicht zuletzt genüßlich in Social Media zelebriert. Andy Warhols „In Zukunft wird jeder Mensch 15 Minuten berühmt sein“ hat sich drastisch auf Sekundenbruchteile verkürzt, der Schlagabtausch wird schneller, härter und unübersichtlicher – Fake News tragen zu der Überhitzung bei. So verbreitete beispielsweise eine Vielzahl als seriös geltende Medien von FAZ bis Spiegel die Meldung, dass die UN die Aktionen der „Letzten Generation“ gut heiße und die Bundesrepublik „unter Beobachtung stehe“. Das Aufgebauschte Medien-Echo gründete auf einer Nebenbemerkung des Sprechers der UN gegenüber der dpa, die lediglich besagte, dass auf der Grundlage geltenden Rechts verschiedene Formen des Klimaprotests bislang eine belegbare Bewegung in die Debatte gebracht habe.
Natürlich ändern sich Einstellungen, zumal in einer immer komplexeren Welt und angesichts der drohenden Klimakrise, ist dies die Forderung des Tages. „Auf der Straße, in der Familie, oder am Arbeitsplatz – mit den Generationen treffen dennoch unterschiedliche Werte aufeinander. Psychologe Rüdiger Maas macht einen wesentlichen Unterschied bei der Einstellung zur Arbeit aus. Viele Unternehmer berichteten etwa von „Quiet Quitting“, Dienst nach Vorschrift: „Da sitzt dann eben der ältere Meister da, macht dann das Produkt fertig, während der Lehrling quasi schon weg ist.“ Den Jungen liegt ihre Work-Life-Balance am Herzen. Das stößt bei Älteren oft auf Unverständnis.“ (2)
Das Anheizen von Konflikten ist wenig hilfreich
Aber letztlich bewohnen die unterschiedlichen Generationen gemeinsam diese Welt und können die Probleme nur zusammen lösen. Das Anheizen von Konflikten ist wenig hilfreich, nicht nur in den Medien. Jede/r selbst ist verantwortlich, etwas abzurüsten und die Hand zu reichen. Das Konstatieren des Status quo hat per se noch keinen konstruktiven Wert. „Unter der Weltrettung machen sie es nicht. Denn die Wohlstandskinder der Generation Z fühlen sich zu Höherem geboren. … Loyalität gegenüber dem Arbeitgeber? Langfristige Perspektive? Dankbarkeit, dass das Unternehmen in mich investiert? Gilt alles nicht mehr für die Generation Z“, so die Managementberaterin Susanne Nickel. (3) „Wenn Du als junger Mensch eine andere Meinung hast oder eine andere Perspektive, gerade auch zum Beispiel mit Genderthemen oder Umweltthemen, sieht man ja, dass da krass so ein ‚Wir haben aber Recht, weil wir sind älter‘ zementiert ist. Es ist schon eine deutliche Resigniertet, die ich bei älteren Menschen sehe“, sagt Tracy Osei-Tutu, Aktivistin und Politikstudentin. „Während die einen ganz viel neu machen und ganz viel verändern wollen, arrangieren sich die anderen, weil sie sich einfach so eingenistet haben.“ (4)
Offenheit, Neugierde und Kompromissbereitschaft
Die generationsübergreifende Handreichung sieht Susanne Nickel bei den Boomern, da diese die nötigen Soft Skills gelernt haben, Ausdauer, Leistungsbereitschaft, Resilienz. Gleichzeitig teilen sie mit den Jüngeren den Wunsch nach Autonomie und Freiraum für Kreativität, Familienfreundlichkeit sowie Wertschätzung ihrer persönlichen Kompetenzen: „Ich bin überzeugt, die Generation X ist besonders dafür geeignet, zwischen Jung und Alt zu vermitteln.“ Damit kommt dieser Generation neben den erworbenen Soft Skills, jahrelanger Erfahrung und gewachsenem Wissen eine entscheidende Rolle in den Unternehmen zu – wenn sie denn eingestellt werden (siehe auch: Unternehmen profitieren von Vielfalt). „Trotzdem fällt die Generation X im Karrierekarussell der Unternehmen unter dem Radar zugunsten der Jüngeren – der Mangelware. Der Wert der Älteren rückt zwar medial in den Fokus, Personaler laden aber weiterhin eher Z-ler als Menschen im Alter von 45plus zum Vorstellungsgespräch ein. Daher mein Appell an alle Personalchefs und Unternehmer: ‚Stell dich auf die Gen Z ein oder stell dein Unternehmen ein‘, fordert ein bekanntes Sprachrohr der Z-ler selbstbewusst. Ich bin überzeugt: Wenn wir vor den Z-lern weiterhin buckeln, bekommen wir ein gesamtwirtschaftliches Problem.“ (5)
Weder das Gefühl des „Buckelns“ noch unüberlegte Schnellschüsse helfen. Die Lösung ist eine ausgewogene Personaldecke, deren Heterogenität das Wissen vervielfacht und diversifiziert. Dafür braucht es Offenheit, Neugierde und Kompromissbereitschaft auf beiden Seiten – sowie Mut und Weitsicht in den HR-Abteilungen. Am Ende ist eben alles im Wortsinn Einstellungssache.
(1) (2) (4) Dokumentation „Im Ernst, Babyboomer?“, 3Sat, 18.03.2023
(3) (5) Handelsblatt, 23.05.2023
©Bild: Kate Sade auf Unsplash
„Im Ernst, Babyboomer?“ in der 3Sat-Mediathek oder hier: https://www.3sat.de/kultur/kulturdoku/im-ernst-babyboomer-100.html