Nach Ansicht der Unternehmensberaterin Agnieszka Walorska versäumt die Finanzbranche es aber, ältere Kunden gezielt anzusprechen. Das gelte sowohl für junge Neo-Banken als auch für klassische Kreditinstitute.
Walorska ist Mitgründerin der Digitalstrategieagentur Creative Construction, die seit der Übernahme im März zur Bankenberatung Capco gehört. „Ältere Bankkunden ab 65 Jahren sind durch die Corona-Krise und die Schließung von Filialen am stärksten betroffen, weil sie Berührungsängste gegenüber digitaler Technik haben“, sagt Walorska. Das liege jedoch auch an den Anbietern, die der älteren Zielgruppe auf dem digitalen Weg kaum entgegenkämen. Umkämpft sei vor allem die junge Kundschaft, da diese leichter zum Wechsel der Bank zu bewegen sei und als Nutzer der Zukunft gelten.
„Mit den älteren Kunden vernachlässigt die Bankenbranche aber ausgerechnet die Zielgruppe, deren Marktanteil angesichts der demographischen Entwicklung an Bedeutung gewinnt“, sagt Walorska. So nutzten laut Daten für das vergangene Jahr nur 21 Prozent der Menschen, die 65 Jahre oder älter sind, Onlinebanking und nur 5 Prozent von ihnen mobiles Banking mit Apps fürs Smartphone.
Doch sei die ältere Zielgruppe digitalen Dienstleistungen gegenüber grundsätzlich aufgeschlossen, wenn sie an diese herangeführt werde. Dabei helfen meist jüngere Angehörige. […]
Laut Walorska könnten Banken ihren älteren Kunden beim Einstieg in digitale Kanäle helfen, indem Mitarbeiter etwa am Telefon zur Verfügung stehen oder sich online auf den Computer zuschalten, wenn Fragen zur Nutzung zu beantworten sind. Auch mit dem Thema Sicherheit könnten Banken vor allem unter älteren Kunden punkten. So sei die automatische Information über Geldeingänge und Auszahlungen ein Vorteil des digitalen Bankings, der Kontoinhabern eine Übersicht über ihre Finanzsituation biete oder im Fall unerwünschter Geldabflüsse etwa durch auf Senioren ausgerichtete Abo-Fallen schnell Alarm auslösen könnte.
©Text: FAZ, 29.10.2020 | ©Foto: Jr Korpa auf Unsplash