Babyboomer, die über das Rentenalter hinaus arbeiten, können den Fachkräftemangel abmildern und zur Innovationskraft des Unternehmens beitragen. Doch Ansprache und Planung müssen recht- zeitig und systematisch erfolgen. […]
Der drohende Fachkräftemangel wird nicht überraschend kommen, dennoch fokussiert sich die Rekrutierung meist alleine auf die jungen Talente – und damit auf einen aufwendigen Wettstreit. […]
Noch nie waren so viele Rentnerinnen und Rentner in Deutschland erwerbs- tätig. Neben den Hauptgründen „Spaß an der Arbeit“ und „Kontakt zu anderen Menschen“ spielen auch finanzielle Notwendigkeiten eine Rolle.
Ein zweites Argument spricht für die Verlängerung der Lebensarbeitszeit älterer Beschäftigter: Babyboomer wissen, was ältere Kundinnen und Kunden wollen. Die Alterung der Gesellschaft trifft auch den Absatzmarkt. Forschung und Entwicklung, Marketing und Service müssen den veränderten Bedürfnissen ihrer (alternden) Kundschaft Rechnung tragen. Die Babyboomer bringen ein Verständnis „aus erster Hand“ mit. […]
Die zentrale Frage, die sich ein Unternehmen stellen muss, um die Unterstützung ihrer Babyboomer über den Rentenbeginn zu sichern, lautet: Ist ein solches Angebot die logische Folge eines wertschätzenden Umgangs mit unseren älteren Mitarbeitenden bis zum Ende ihrer Beschäftigung? Oder wird den Älteren das Gefühl vermittelt, dass sie schon seit Monaten oder gar Jahren im Abseits stehen? Im englischen Sprachraum etabliert sich dafür der neue Begriff „the grey-side-line“. Bei der grauen Seitenlinie geht es darum, dass ältere Mitarbeitende „ganz aus dem Spiel genommen werden“.
In verschiedenen Studien wurde deutlich, dass zwischen 20 und 50 Prozent der Über-50-Jährigen am Arbeitsplatz diskriminiert werden. Dies kann beispielsweise damit beginnen, dass man sie für Trainings „übersieht“, das veränderte Lernen im Alter ignoriert oder sie mit sogenannten Sonderaufgaben, die weit unter ihrer Qualifikation liegen, beschäftigt. […]
So entsteht ein negatives Altersbild, das sich bis zu einer systematischen Altersdiskriminierung im Unternehmen entwickeln kann. Geht ein Unternehmen jedoch wertschätzend mit seinen älteren Beschäftigten um, ist der Grundstein für eine Zusammenarbeit im Ruhestand gelegt. […]
Der Übergang in den Ruhestand ist ein einmaliges Ereignis außerhalb des alltäglichen Erfahrungshorizonts. Er hat eine ambivalente Natur und stellt jeden vor Herausforderungen, die es individuell zu meistern gilt. Hierbei werden meist noch keine stabilen und etablierten Unterstützungsformate angeboten. Anders als bei der Berufs-, Studien- oder Karriereberatung sind die Menschen bei der Planung der nächsten Dekaden auf sich selbst gestellt. […]
Die Zahl der Ruheständler und damit der Beratungsbedarf zum Ruhestand wird steigen und zeitgleich auch der Bedarf nach Fachkräften. Personalverantwortliche müssen darauf mehr als eine Antwort finden. Eine davon ist, die Babyboomer weiter zu binden und damit einen Prozess einzuleiten, in dem Arbeiten jenseits des „einen Datums“ möglich und attraktiv wird. Werden Unternehmen nicht aktiv, werden ihre motivierten und kompetenten Ruheständler ihr Wissen und ihre Schaffenskraft an andere Stelle einsetzen. Vielleicht beim Mitbewerber.
©Text: Haufe News, 07.12.2022 | ©Foto: Jeff Sheldon auf Unsplash